Spitzlmarkt in Hemau

Zeitlicher Aufwand: mittel

Ursprung

Der "Spitzlmarkt in Hemau" ist eine eintägige Veranstaltung und findet jährlich am 31. Oktober statt. Neben verschiedensten Fieranten bietet ein Stand am Stadtplatz von 8 – 18 Uhr Spitzl-Variationen an. Als traditionelle Form des Spitzls in Hemau wird der rautenförmige Lebkuchenspitzl angesehen.

 

Auch bekannt als Seelenweckerl, Seelenzöpfe, Spitzl
Kurzbeschreibung

Das Allerheiligenspitzl geht auf eine lange ostbayerische Tradition zurück. Nach der Überlieferung wurden die Spitzl von Menschen für ihre lieben Toten gebacken, die an Allerheiligen mit Körper und Seele aus ihren Gräbern stiegen. Und weil auch ein solchermaßen sich betätigender Verstorbener etwas zu essen braucht, machte man ihm aus einem einfachen Hefeteig eine Brotzeit - das Allerheiligenspitzel. Wobei es nicht gezwungenermaßen ein Spitzl sein muss. Üblich waren in manchen Gegenden auch flache Laibchen. Später wurden Allerheiligenspitzel zu Liebesgaben, die sich einander zugetane Personen schenken. Die Magd gab eines dem Knecht, der Bauer seiner Bäuerin. Aber auch Patenkinder wurden damit beschenkt.

Ablauf

Der Opferbrauch: „Seelenweckerl“

An den Tagen der Totenfeste, so glaubte man, seien die Toten körperlich anwesend, feierten die Feste mit, würden dahin zurückkehren, wo sie einst gewohnt hatten und hätten dann, wie auch lebende Menschen, Anspruch auf Essen und Trinken. Dies lässt sich mit dem Glauben an ein Leben nach dem Tod erklären, nach dem die Seelen der Verstorbenen weiterhin existierten. Aus diesem Grund opferte man den Toten in gewissen Abständen Gaben, um die Seelen milde zu stimmen und sie damit zu versorgen, was diese – ihrer Vorstellung nach – im Jenseits benötigten. So besuchte man in weiten Teilen Oberbayerns am Allerheiligenabend die Gräber der verstorbenen Verwandten und opferte sogenannte „Seelenzöpfe“ (einem geflochtenen Zopf aus Semmelteig, erhältlich in Größen „bis drei Schuh lang“) und einen Teller Kernmehl. An Allerseelen opferte jeder Haushalt einen Teller mit Muesmehl, Haber und Kern. Man ging später dazu über, diese Gaben in Form von „Seelenweckerln“ zu spenden. Die ursprünglich den Toten zugedachten Speisen gab man den Armen, dem Mesner und den Patenkindern, deren Danksagungen (Vergelt's Gott), sollten die Armen Seelen dann erlösen. „Seelen-weckerl“ bestanden aus geringerem Teig als die Zöpfe und waren für die „Seelenleut“, arme Menschen, die in diesen Tagen von Haus zu Haus zogen, gedacht. Die Armen konnten in dieser Woche mit einem Dankspruch Segen oder, bei Verweigerung einer Gabe, Unheil über Haus und Hof bringen. Vor allem in Oberbayern, Niederbayern, Teilen Böhmens und Oberösterreichs existierten die „Seelwecken“ als Almosen, die man am Begräbnistag oder an Aller-heiligen spendete, um die Leidenszeit der „Armen Seelen“ zu verkürzen. Die sammelnden „Seelgeher“, die nach einer Spende für die Verstorbenen beteten, waren dementsprechend willkommen, „je mehr desto besser“, eine große Anzahl von „Heiligenstriezeln-sammlern“ galten auch als Vorboten eines guten Jahres. Im München des 18. Jahrhunderts erhalten neben den Armen auch erstmals Hofbedienstete „Seelenzeltln“, ebenfalls eine Art des Allerheiligengebäcks, das es in vielen Gestalten und aus Teigen unterschiedlichster Qualität gab: Als Wecken, Stuck oder Spitzl mit jeweils anderen, regional unterschiedlichen Besonder-heiten. Noch um 1930 konnte das Phänomen beobachtet werden, dass arme Leute sowie Kinder von Haus zu Haus zogen, um „Seelenwecken“ oder „Heiligenstriezel“ zu erbitten.


Der Patenbrauch: „Seelenzöpfe“

Der „Seelenwecken“ existierte gleichzeitig auch als Patenbrauch an Allerheiligen: In den Tagen um Allerheiligen erhielten Patenkinder von ihren Tauf- und Firmpaten „Spitzeln“ in Form geflochtener Hefezöpfe, teils mit Mandeln oder Zuckerguss, weshalb diese Tage der Seelenwoche vom 30. Oktober bis achten November im Volksmund als „Spitzltech“ bezeichnet wurden. „Seelwecken für die Armen, Seelenzopf für die Patenkinder“, so heißt es im Atlas der Deutschen Volkskunde. Im Jahr 1860 konnte man zum Beispiel in Oberösterreich beide Sorten dieses Gebäcks auffinden: Größere Wecken aus weißem Mehl für Dienstboten und Patenkinder, kleinere Wecken aus dunklerem Mehl für die „Armen Seelen“. Allerseelengebäcke bestanden bereits Mitte der 30ger Jahre fast nur noch aus Patengeschenken. Schenkte der Freund seiner Liebsten einen Spitzel, galt dies schon fast als Heiratsantrag – ein Ablehnen des Geschenks sah man als klare Absage. Der Gedanke, den „Armen Seelen“ etwas Gutes zu tun, ist hier weniger präsent. Dass das Gebäck teils noch existiert, obwohl auch Patenspenden schon aufgegeben wurden, ist wahrscheinlich deren Schmackhaftigkeit zu verdanken – so gibt es das Gebäck heute als Festtagsgebäck. Möglicherweise steckt auch ein Sparsamkeitsdenken hinter dieser Brauchänderung: Da in einer Familie oft für alle Kinder ein einziger Taufpate gefunden wurde, hätte dieser enorm viele Spitzln verschenken müssen. Im Jahr 1932 war einem Pfarrer vom Eichlberg bei Hemau noch ein religiöser Hintergrund bewusst, der die Hemauer Rautenform erklärt: „An Allerseelen bekommen die Kinder von ihren Paten Spitzel geschenkt, die rautenartige Form soll an die Seelen erinnern, die Spitzel selbst zum Gebet für die Armen Seelen mahnen“

Der Allerseelen- und Allerheiligenbrauch in Hemau: Spitzl

In der Oberpfalz werden diese Brote üblich als „Spitzeln“, „Spitzn“ oder „Spitzl“ bezeichnet, man versteht unter den „Spitz(l)“ genannten Gebäcken Brote mit spitz zulaufenden Enden. Am „Spitzeltag“, so führt die Bavaria aus, werden sie in verschiedenen Orten an der Altmühl bei den Jahrmärkten oder auch „Spitzelmärkten“, die zu dieser Zeit stattfinden, in eigenen Buden verkauft. Zusätzlich gingen Kinder und Arme von Bäcker zu Bäcker und riefen „Spitzl raus! Spitzl raus!“ oder „s'Christas! Um a Spitzl!“ Diesem Spitzltag folgte oft am nächsten Morgen die „Allerseelenspende“: Brot für die Armen. Denn neben den großen Patengebäcken gab es auch in der Oberpfalz kleinere Brote.
Nach Meldungen an der Atlas der deutschen Volkskunde gab es den Brauch besonders häufig in den Landkreisen Cham, Riedenburg, Regensburg und Roding. Als traditionell wurde in Hemau eigentlich der Hefespitzl aus purem Hefeteig bezeichnet, im angrenzenden Landkreis Neumarkt gilt 1955 der Lebkuchenspitz als herkömmliches Seelengebäck. Möglich ist auch eine „Entwicklung“ des Teiges, vom Gebäck aus gesalzenem Semmelteig (das es vereinzelt bis 1950 zu kaufen gab), über gezuckerten Hefeteig, süßen Lebkuchenteig, bis hin zu den Torten ab den 1930ger Jahren. Der Wolfgangsmarkt, aus dem sich der Spitzlmarkt in Hemau entwickelte, wurde im Jahr 1665 in der Hemauer Chronik erwähnt: „1665 wurden die seit geraumer Zeit ausgesetzten Wochenmärkte neuerdings eingeführt, auch der eingegangene Wolfgangimarkt wieder abgehalten.“. Mit Spitzlmarkt meint der Volksmund den Wolfgangsmarkt. Dies lässt den Schluss zu, dass es den Wolfgangsmarkt schon einige Zeit vorher gegeben haben muss – in der ältesten Hemauer Stadtkammerrechnung von 1630 findet sich eine Aufrechnung der Standgebühren, die damals 30 Kronen betrugen. Ob allerdings auf diesen frühen Märkten auch schon Spitzl verkauft worden sind, lässt sich nicht nachvollziehen. Festzustellen ist, dass der „Wolfgangimarkt“ nach den Standgeldverzeichnungen auch nicht regelmäßig jedes Jahr stattgefunden hat, ein Datum ist auch nicht angegeben. Seit 1972 ist der Spitzlmarkt offiziell im Marktverzeichnis der Stadt Hemau eingetragen, 1975 wurde der Wolfgangsmarkt/Spitzlmarkt nach der Gewerbeordnung (am Stadtplatz, von 7.00 bis 18.00) festgesetzt, seitdem findet er jedes Jahr regelmäßig statt.
„Der Spitzl erlebte seine Renaissance um 1996 herum“, so Bäckerin Theresia Hirn. Um die alte Tradition erneut aufleben zu lassen, regte nämlich die Stadtverwaltung im Jahr 1995 bei den Bäckern an, doch rautenförmige Spitzn und geflochtene Spitzl im Marktstand zu verkaufen. Im selben Jahr wurden in den Hemauer Bäckereien in den zwei Tagen vor Allerheiligen mindestens 6000 Spitzln verkauft.

Vorbereitung

Dem eigentlichen Brauchereignis, dem Markt, geht eine fast zweimonatige Vorbereitungsphase voraus: In den Hemauer Bäckereien, die sich mit dem Verkauf im Stand am Spitzlmarkt selbst jährlich abwechseln, beginnen die Teigvorbereitungen für die verschiedenen Spitzlarten teilweise bereits im September. „Zum Schulanfang wird unser Lebkuchenteig schon im kühlen Keller gelagert und auch der Honigteig muss eine ganze Zeit lang stehen, das ist wichtig. Die Vorbereitungen für die Böden der Tortenspitzl beginnen ungefähr 14 Tage vorher.“ Die Lebkuchenspitzl sind sehr gefragt, nicht nur bei Hemauern. Sie werden auch oft von Wirtschaften angefragt, da sie besonders gut zur Soßenherstellung benutzt werden können, schmeckt zum Beispiel zu Wild, weswegen schon oft zwei Wochen vor Allerheiligen Lebkuchenspitzl angefragt werden. „Viele Hemauer bestellen auch gleich 20 oder 30 Stück, als Geschenk für Verwandte oder Bekannte.

Durchführung

Offizieller Veranstalter des Marktes ist die Stadt Hemau, angekündigt wurde der Markt lediglich in den regionalen Zeitungen und im Veranstaltungskalender auf der Homepage der Stadt Hemau. Der Markt als Ereignis ist durch seine jährliche Wiederkehr durchaus fest im kulturellen Gedächtnis der Hemauer verankert: Der Spitzlmarkt hat keine bestimmte Zielgruppe – jeder Hemauer schaut hier eigentlich im Laufe des Tages mal vorbei.

Bezugsquellen für Infos und Material
  • Burgstaller, Ernst: Das Allerseelenbrot. Linz, 1970.
  • Eichenseer, Adolf J. und Erika: Oberpfälzer Leben. Ein Hausbuch von Fronleichnam bis Martini. Grafenau, 2009.
  • Fähnrich, Harald: Lebendiges Brauchtum in der Oberpfalz. Weiden, 2007
  • Feuerer, Thomas (Hg.), Müller, Johann Nepomuck: Chronik der Stadt Hemau. 3 Auflage. Hemau, 2005.
  • Metken, Sigrid (Hg.): Die letzte Reise. Sterben, Tod und Trauerriten in Oberbayern. München, 1984.
  • Motyka; Gustl: Alte Oberpfälzer Bräuche. Von Neujahr bis Silvester durch das Bauernjahr. Regensburg, 2002.
  • Plötzl, Walter: Brauchtum. Von der Martinsgans zum Leonhardiritt, von der Wiege bis zur Bahre. Augsburg, 1999.
  • Stadt Hemau: Bürgerbroschüre Hemau. Hemau, 2003.
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