Geschichte des Schuhplattlers
Der Schuhplattler gehört zweifellos zu den markantesten bayerischen Ausdrucksformen. Das Wort Schuhplattler erklärt sich daraus, dass sich der Tänzer mit den Händen auf die Schuhe (richtiger auf die Schuhsohlen) schlägt. Seine "Erfinder" waren einfache Leute: Bauern, Jäger, Holzknechte.
Schwierig ist es den genauen Ursprung und die Geschichte des Schuhplattlers darzustellen. In der von einem Mönch des Klosters Tegernsee um 1050 gefassten Ritterdichtung "Ruodlieb" wird ein dörflicher Tanz beschrieben. Die darin enthaltene Schilderung von "Sprung und Handgebärde im Tanz" könnte tatsächlich auf eine frühe Form des Schuhplattlers hinweisen. Als 1838 die Kaiserin von Russland in Wildbad Kreuth zur Kur weilte, da ehrten sie die Einheimischen mit einer Tanzvorführung, die dem Schuhplattler schon sehr nahe kam. Der Bursch konnte sich während des Tanzes nach freiem Ermessen zur Landlermelodie bewegen, Figuren zeigen, springen, schnaggln und platteln, während sich sein Dirndl weiter im Takt drehte und erst zum Rundtanz von ihm eingeholt wurde. Das unreglementierte, freie Platteln nannte man das "bairisch" Tanzen.
Etwa von der Mitte des 19. Jahrhunderts an setzte sich die Vereinheitlichung der Schuhplattler-Tanzbewegungen durch. Das so genannte Gruppenplatteln kam auf. Am 15. Juli 1858 wurde im Oberland ein Schuhplattler-Tanz anlässlich einer Reise von König Max II durch das bayerische Gebirge aufgeführt. 1861 hat sich in Miesbach ein "Gemütlichkeits-Verein" gegründet der sich 1866 in "Schuhplattler-Gesellschaft" umbenannte. Joseph Vogl gründete 1883 in Bayrischzell den "Verein für Erhaltung der Volkstracht im Leitzachthale". Von diesem Zeitpunkt ab entwickelte sich das vereinsmäßige Platteln in den Trachtenvereinen.
Es gibt etwa 150 unterschiedliche Schuhplattlertänze und in dem Gebiet zwischen Königsee im Osten und Bodensee im Westen, zwischen Donau im Norden und Tiroler Grenze im Süden, in dem der Schuhplattler bodenständig ist, lassen sich noch landschaftliche Unterschiede feststellen. So ist im südöstlichen Oberbayern, etwa von Rosenheim bis Bad Reichenhall, mehr das exakte, strenge Schuhplatteln mit lautem Schlag und aufrechter Haltung üblich, im Oberland und dem restlichen Südbayern dagegen mehr das gemütliche Schuhplatteln auf dem Absatz und mit runderen, lockeren Schlägen zuhause. Beide Spielarten haben auf ihre Art ihren Reiz. Wo immer er gepflegt wird oder zu sehen ist, wird mit ihm unmittelbar bayerisches Brauchtum und urtümliche Lebensfreude verknüpft.
Gedanken zum Schuhplattler (von Sigi Götze)
Der Schuhplattler als kulturelle "Klammer"
Für die Anziehungskraft einer Region ist es von entscheidender Bedeutung, ob dem unvoreingenommenen Betrachter griffige, positiv besetzte und bildprägende "Mosaiksteine" übermittelt werden können, die für sich gesehen bereits ein freundliches Bild des betreffenden Gebietes ergeben.
Dazu zählen in erster Linie Darstellungen über bewährte Formen des Zusammenlebens, Stilelemente der Volkskultur aber auch bestimmte Lebensäußerungen, die auf gewinnende Charaktereigenschaften wie Lebensfreude, Musikalität, Toleranz oder Heimatverbundenheit der in ihr lebenden Bevölkerung abzielen und somit wenigstens punktuell Rückschlüsse auf den "Freizeitwert" in der betreffenden Umgebung zulassen. Bei nicht wenigen Völkern vereint der "landesübliche Tanz" die beschriebenen Attribute in geradezu idealer Weise. So wird gemeinhin mit "Samba" und "Paso Doble" südamerikanische Begeisterungsfähigkeit, mit dem "Sirtaki" griechische Gastfreundschaft und mit dem "Czardasz" ungarisches Temperament gleichgesetzt.
In Südbayern könnte der hier beheimatete "Schuhplattlertanz" als flächendeckende, kulturelle Klammer diese typisierende Rolle übernehmen, obwohl er durch seine überwiegende Vereinsgebundenheit mit den genannten Tänzen nicht direkt vergleichbar ist. Entkleidet man den Schuhplattler, diesen aus dem Paartanz hervorgegangenen Burschentanz mit Werbecharakter, seiner Versatzstücke aus dem "Tourismusgeschäft" so verbleibt im Kern ein auch im Zeitalter von "Rock" und "Pop" allenthalben faszinierender Ausdruckstanz. Er vereint in hohem Maße Attribute wie Geschicklichkeit, Eleganz und Rhythmusgefühl in sich, gepaart mit animierender Schlagkraft.
Das Bild vom schuhplattelnden Burschen stellt darüber hinaus eine direkte gedankliche Verbindung zum bayerisch-österreichischen Alpenraum her. Erwartungen oder Erinnerungen an bereichernde Sinneseindrücke in Mitten einer weitestgehend intakt gebliebenen Naturlandschaft gehen mit dieser Einschätzung einher. Dazu kommt, dass es den Akteuren selbst auch heute noch möglich ist, ein gerüttelt Maß an gehobenem Selbstvertrauen aus der exakten Beherrschung des Schuhplattlertanzes zu gewinnen, verbunden mit konkret erfahrbaren Wechselbezügen bis hinein ins Alltagsleben.
Professor Dr. Konrad Köstlin von der Uni Tübingen - Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft drückt es im Vorwort zu Franz Hegenbarts Buch "Auf geht's" so aus:"Ganz sicher aber ist die Beobachtung wichtig, dass insbesondere die Holzarbeiter, deren (Arbeits-) kraft ihr ganzer Stolz war, diese Kraft auch vorführen wollten. Dieser Stolz der Arbeiter, die kein anderes Kapital als eben ihre Körperkraft hatten mag den Charakter des Tanzes wohl nicht allein erklären...".
Zusätzlich und ursprünglich war es in erster Linie wohl das Bestreben des Burschen, allein die Aufmerksamkeit der anwesenden Dirndl zu erreichen. In späterer Zeit rückte die Fähigkeit, sich selbst, der eigenen Gruppe und wo möglich, einem dörflich oder städtisch geprägten Zuschauerkreis eine ausgewogene Mischung aus Musikalität, Körperbeherrschung, Schnellkraft und tänzerischer Präzision zu demonstrieren, in den Vordergrund. Insbesondere die zum Ende des 19. Jahrhunderts hin allerorten gegründeten Trachtenvereine waren es, die sich dieser Entwicklung und des Tanzes selbst annahmen.
In der Folge wuchs dem Schuhplattler auch im Bundesgebiet eine geradezu dominante Stellung unter den "landesüblichen" Tänzen zu. Neuschöpfungen entstanden und "eroberten" neben dem heimischen Tanzboden auch so manches "Parkett", das dafür alles andere als geschaffen war. Versuchungen , den Schuhplattlertanz zu instrumentalisieren , hat es in mancherlei Hinsicht gegeben. Trotzdem bleibt festzustellen, dass eine gediegene Plattlerdarbietung ohne störendes "Drumherum" zu allen Zeiten sowohl auf den "Gebirgsbewohner" selbst als auch auf den Menschen, der mit alpenländischem Brauchtum nicht oder nur wenig in Berührung kommt eine nur schwer zu leugnende Anziehungskraft ausübte und immer noch ausübt. Wer sich die Mühe macht und der Entstehungsgeschichte des Schuhplattlertanzes nachspürt wird allerdings eine Überraschung erleben. Er wird beim Vergleich mit anderen Brauchtumsarten feststellen, dass der Schuhplattlertanz ein relativ junges aber widerstandsfähiges "Brauchtumsgewächs" ist.