Haare = Schmuck ?!

Mit dem Begriff Schmuck wird in der Regel besonders kostbares Material assoziiert. Dass auch menschliches Haar zu "wertvollen" Schmuckstücken oder Haarbildern verarbeitet werden kann, liegt sicherlich in der aufwendigen Verarbeitungstechnik, in erster Linie aber am Symbolwert des verwendeten Materials. Aus Musterbüchern des 19. Jahrhunderts konnten künstlerische Haararbeiten wie Ketten, Broschen, Ringe und Diademe, die aus menschlichem Haar geklöppelt und schlauchförmig zusammengeflochten sind, erlernt werden. Die Haare von lebenden oder verstorbenen Angehörigen fanden ihren Platz als Erinnerungsbild oder Wandschmuck.

Das menschliche Haupthaar wurde in früheren Zeiten zum persönlichen Andenken an einen bestimmten Menschen, indem es zu kostbarem Schmuck und wertvollen Haarbildern verarbeitet wurde. Jeden Betrachter erstaunt die Vielfalt und der Ideenreichtum, den die Künstler und Künstlerinnen dabei in liebevoller Kleinarbeit umsetzten. Fertigten doch Perückenmacher, Näherinnen in Heimarbeit und Novizinnen in den Klöstern immer neue Motive.

Die zeitliche Blüte dieser Kunstwerke lag vor allem im 19. Jahrhundert, der Zeit des ausgeprägten Freundschaftskultes und der Neigung zur Empfindsamkeit.
Die Vielfalt der Kunstwerke reicht von Ohrringen, Armbändern, Fingerringen, Broschen, Halsketten bis hin zu großen Haarbildern. Diese wurden in teilweise heute nicht mehr unbekannten Klöppel-, Flecht- und Klebetechniken gefertigt.

Auf den ersten Blick ist für den Laien kaum zu erkennen, dass es sich bei den Kunstwerken um den Werkstoff Haar handelt. Für Frauen wurden Ohrringe, Armbänder, Fingerringe, Broschen und Halsketten in den feinsten Mustern gewebt, geflochten oder geklöppelt und dann in Gold gefasst.
Durch eine spezielle Ziehharmonika-Technik sind die Armbänder auf fast ihre doppelte Breite dehnbar. Meistens wurden sie mit Haarblütenrosetten verziert. Die bis zu 180 cm langen Halsketten wurden häufig 4-lagig um den Hals getragen. Daran hing eine zierliche Damenuhr oder ein goldenes Medaillon. Die Medaillons beinhalteten neben Bildern von geliebten Menschen deren kunstvoll gelegte Haarlocke.

Der meiste heute erhaltene Haarschmuck sind Herrenuhrenketten in den mannigfachsten Ausführungen. Die Herren trugen üblicherweise ihre Taschenuhren an Ketten, die aus Haaren gefertigt wurden. Die Haare stammten von der Ehefrau oder der Verlobten. Dies belegt wiederum den Symbolwert.
Eine weitere Besonderheit, Haare zu Kunst zu verarbeiten sind Haarbilder. Mit unterschiedlichen Haarfarben und -formen wurden stilisierte Blüten, Knospen und kleine Blätter zu ganzen Blumenranken verarbeitet. Auch hier fasziniert der Ideenreichtum. Unglaublich erscheint die Feinheit der Verarbeitung in Stecknadelkopf-Größe. Teils sind diese zusätzlich mit kleinen Glasperlen und Gold- oder Silberdrähten verziert. Diese Haarbilder sind in kostbaren, z.T. geschnitzten und vergoldeten Rahmen zu bewundern.

Die besondere Wertschätzung verdankt das Haar den Vorstellungen um die ihm innewohnenden Kräfte. Das Kopfhaar gilt als Sitz der Lebenskraft; mit dem Abschneiden der Haare verliert man diese Kraft und gibt sich in die Gewalt und Obhut desjenigen, in dessen Besitz sie gelangen.

Beitrag vom Gau Mittelfranken, Claudia Lindörfer