Kon i do de Tracht o´ziagn?

Da war ma in da Tracht guad ozong gwen?

Sätze die man immer wieder zu hören bekommt.
Sätze die mir immer wieder zu denken geben!

Wir Trachtler, wir, die mit der Tracht den Jahresverlauf leben und feiern,
wir stellen diese Fragen.
Das Gwand und alles was dazu gehört, um das uns viele beneiden,
ein Gwand für Jung und Alt, ein Gwand das niemanden ausgrenzt,
das Familie und Gemeinschaft bedeutet, stellen wir in Frage.
Die Festtagstracht, die Tanztracht, die Tracht der Trauer,
ein Gwand, das so viel aus zu drücken vermag lässt diese Fragen aufkommen.
Die Tracht, die in den Vereinen festgeschrieben ist, die äußerliches Kennzeichen für eine
Region ist, lässt diese Zweifel zu.
Die Tracht, die weder Uniform noch Verkleidung ist, die etwas mit Heimat und Lebensart zu tun
hat, stellt uns vor derart Rätsel?

Die Lösung, wir brauchen Regeln!
Wann ziehe ich Tracht an und Was ziehe ich Wann an!

Je mehr ich mich jedoch mit dem Thema auseinander gesetzt habe, um so mehr ist mir
bewusst geworden, das geht nicht.
Tracht muss man Leben und Spüren. Wenn man das Gespür hat, dann braucht es keine Einladung  und Regeln, was, wann und wie, erübrigen sich.

Man trägt Tracht, weil es der Anlass zulässt, weil einem danach ist, weil man es gerne tut, weil
es einem wichtig ist. Man trägt Tracht nicht für andere, sondern für sich selbst!

Die Tracht braucht auch keine Privilegien, sie muss nicht in der „ersten Reihe“ sitzen!
Vielmehr gehört sie unter das „Volk“, damit sie sich einreihen kann und verständlich ist.
Tracht setzt man nicht in Szene, sie ist nicht aufgesetzt und will es auch nicht sein.
Tracht ist Lebensart und somit für den „Träger“ selbstverständlich, in all ihren Facetten.
Tracht hat etwas mit der Person, mit dem „Träger“ zu tun, sie ist individuell.


Man muss nicht Tracht tragen, man darf Tracht tragen, das sollte einem bewusst sein.

Müssen, hat immer einen faden Nachgeschmack, darf man jedoch, so ist das schon etwas
Besonderes.
Man darf Festtage mit der Tracht aufwerten, für sich, für die Familie.
Man darf mit der Tracht seine Wertschätzung ausdrücken.

Ich freue mich meistens, wenn ich meine Tracht anziehen kann, doch es kommt schon auch
mal vor, dass mir nicht danach ist. Dann lass ich es einfach, ohne schlechtem Gewissen, denn
es soll mir Freude machen und ehrlich sein.


Alles hat seine Zeit!

Das gilt für mich in zweierlei Hinsicht auch für die Tracht.
Der Wechsel von der noch einfachen Kindertracht bis hin zur „hochwertigen“ Tracht für die „Weiberleid“ und „Mannerleid“ ist einerseits Anreiz und stellt zugleich den Lebensabschnitt dar.
Manche Teile der Tracht fallen weg, kommen neu dazu, werden ersetzt, verändern sich in Form, Farbe, Wertigkeit und festigen sich letztendlich.
Diese Parallelen zum Leben machen die Tracht für mich so besonders.
Genauso gibt es für mich die Zeit für ein weißes Hemd, der Krawatte, der Lederhose und dem Anzug. Das Tragen vom einfachen Schmuck, der goldenen Haarspange, der einfachen Schürze,
oder der „guten“ Seidenschürze, ist dem Anlass, dem Zeitpunkt geschuldet.
Wenn man sich also bewusst ist, in welcher „Lebenszeit“ man sich befindet und in welchem
Zeitraum (Fastenzeit, Tanzzeit, Hochzeit, Trauerzeit) man sich befindet, ist es nicht schwer,
die zeitlich und individuell passende Tracht zu tragen.


Kann und soll man Tracht vorschreiben?

Sicherlich braucht es Anhaltspunkte und Wegweiser.
Gerade für Leute die nicht mit der Tracht groß geworden sind, ist es auf alle Fälle sinnvoll, Vorgaben zu haben.
Eine positive Erfahrung hierzu ist, dass sich gerade diese „Neulinge“ mit der Materie Tracht auseinander setzen, hinterfragen und sehr schnell wissen, was zu tragen ist.

Grundsätzlich jedoch hat man aus der Vergangenheit gelernt, mit erhobenem Finger, „das darf man, das darf man nicht“, bewirkt man gar nichts, eher das Gegenteil ist der Fall.

Erklären und Vorleben, Gespür und Herz braucht man, um das „richtige Gwand“ zum richtigen
Zeitpunkt aus dem Schrank zu holen.


Fazit!

Ich habe mir eine Parallele zur Musik gesucht!
Gibt es ein Regelheft, das vorschreibt, was man wann, wo und wie spielen soll?
Gibt es hier jemanden, der klare Zeichen setzt?
Sicher ist es bei der Musik wie bei der Tracht, Vorleben (Vorspielen), Erklären, Gespür und Herz
sind die Richtungsweiser.

Nichts ist so beständig wie der Wandel! Das gilt für die Musik genauso wie für die Tracht.
Man sollte nur das Wesentliche nicht aus den Augen verlieren.

Mit der Tracht, mit der Musik kann man so viel ausdrücken.
Mit „Beiden“ kann man Bitten und Danken, man kann Feiern, Lachen und auch Trauern.
Beide sind Ausdruck von Lebensfreude, von Wertschätzung und Achtung, von Heimat und
Lebensart. Natürlich, ehrlich, und fest verwurzelt, Gründe die ihre Beständigkeit ausmachen.

Gibt es etwas Schöneres?

Anja Voit, Brauchtumswartin vom Chiemgau Alpenverband